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Zitierung:
BVerfG, 1 BvR 1778/01 vom 16.3.2004, Absatz-Nr. (1 - 123), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20040316_1bvr177801.html
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L
e i t s ä t z e
zum
Urteil des Ersten Senats vom 16. März 2004
-
1 BvR 1778/01 -
Das Einfuhr- und Verbringungsverbot in § 2 Abs. 1 Satz 1 des
Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetzes vom 12.
April 2001 ist, soweit es sich auf Hunde der darin genannten Rassen
bezieht, mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Gesetzgeber hat allerdings
die weitere Entwicklung zu beobachten und zu prüfen, ob die der
Norm zugrunde liegenden Annahmen sich tatsächlich bestätigen.
Das Verbot des Züchtens von Hunden zur Vermeidung von Nach- kommen
mit erblich bedingten Aggressionssteigerungen in § 11 b Abs.
2 Buchstabe a des Tierschutzgesetzes in Verbindung mit § 11 der
Tierschutz-Hundeverordnung dient nicht dem Tierschutz im Sinne des
Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG.
Die strafrechtliche Sanktionierung sehr unterschiedlicher landesrechtlicher
Verbote, einen gefährlichen Hund zu züchten oder Handel
mit ihm zu treiben, in § 143 Abs. 1 StGB genügt nicht den
Anforderungen des Art. 72 Abs. 2 GG.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
-
1 BvR 1778/01 -
Verkündet
am 16. März 2004
Achilles
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
1. der Frau B...
und weiterer 52 Beschwerdeführer
- Bevollmächtigter: Professor Dr. Jan Ziekow,
Gartenstraße 3, 67361 Freisbach -
gegen das Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde vom 12.
April 2001 (BGBl I S. 530) in Verbindung mit § 11 der Tierschutz-Hundeverordnung
vom 2. Mai 2001 (BGBl I S. 838)
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat – unter Mitwirkung
des
Präsidenten Papier,
der Richterinnen Jaeger,
Haas,
der Richter Hömig,
Steiner,
der Richterin Hohmann-Dennhardt
und der Richter Hoffmann-Riem,
Bryde
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. November 2003
durch
U r t e i l
für Recht erkannt:
§ 11 b Absatz 2 Buchstabe a Alternative 2 des Tierschutzgesetzes
in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher
Hunde vom 12. April 2001 (Bundesgesetzblatt I Seite 530) in Verbindung
mit § 11 der Tierschutz-Hundeverordnung vom 2. Mai 2001 (Bundesgesetzblatt
I Seite 838) sowie § 143 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs, eingefügt
durch das Gesetz vom 12. April 2001, sind mit Artikel 12 Absatz 1
und Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.
Im
Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.
Die
Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführern die Hälfte
ihrer notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe:
A.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Bundesgesetz zur
Bekämpfung gefährlicher Hunde.
1
I.
1. Spezielle Vorschriften zur Bewältigung von Gefahren, die auf
das Vorhandensein gefährlicher Hunde und den Umgang mit ihnen
zurückgeführt werden, gibt es im Bereich der Bundesländer
seit Anfang der 1990er Jahre (vgl. etwa die baden-württembergische
Polizeiverordnung über das Halten gefährlicher Hunde vom
28. August 1991, GBl S. 542, und die bayerische Verordnung über
Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit
vom 10. Juli 1992, GVBl S. 268). Sie wurden, nachdem am 26. Juni 2000
in Hamburg ein auf einem Schulhof spielendes Kind von zwei Mischlingen
der Rassen Bullterrier, Pitbull- und American Staffordshire-Terrier
getötet worden war (vgl. BGH, NStZ 2002, S. 315 <316>),
teils verschärft, teils um neue Regelungen ergänzt. Zur
Definition des Be-griffs des gefährlichen Hundes ist dabei teilweise
an die Zugehörigkeit zu bestimmten Rassen angeknüpft worden
(vgl. beispielsweise § 3 Abs. 1 der Verordnung über das
Halten von Hunden in Berlin <HundeVO Bln> i.d.F. der Verordnung
vom 29. Mai 2001, GVBl S. 165, § 1 Abs. 1 der hamburgischen Hundeverordnung
vom 18. Juli 2000, GVBl S. 152 <im Folgenden: HundeVO Hbg>,
und § 1 Abs. 2 der rheinland-pfälzischen Gefahrenabwehrverordnung
- Gefährliche Hunde - vom 30. Juni 2000, GVBl S. 247).
2
Die Verfassungsgerichte der Länder und die Verwaltungsgerichte
haben die Verfassungsmäßigkeit derartiger Regelungen unterschiedlich
beurteilt (vgl. einerseits BerlVerfGH, NVwZ 2001, S. 1266; RhPfVerfGH,
NVwZ 2001, S. 1273, und andererseits etwa HessVGH, ESVGH 52, S. 41;
SchlHOVG, NVwZ 2001, S. 1300). Das Bundesverwaltungsgericht hat inzwischen
mehrfach entschieden, dass nach dem gegenwärtigen fachwissenschaftlichen
Erkenntnisstand aus der Zugehörigkeit eines Hundes zu einer bestimmten
Rasse nicht auf dessen Gefährlichkeit geschlossen werden könne.
Allein auf die Rassezugehörigkeit gestützte Eingriffe in
die Freiheit der Halter entsprechender Hunde könnten, da sie
nicht der Gefahrenabwehr, sondern der Gefahrenvorsorge dienten, nicht
auf der Grundlage der allgemeinen polizeirechtlichen Ermächtigungsnormen
im Rechtsverordnungswege ergehen. Erforderlich sei vielmehr eine Entscheidung
des parlamentarischen Gesetzgebers in einem besonderen Gesetz (vgl.
BVerwGE 116, 347 <348 ff.>; Urteile vom 18. Dezember 2002 -
BVerwG 6 CN 3.01 und 6 CN 1.02 - <Buchholz 402.41 Nr. 72 und 73>).
3
2. Auf der Ebene des Bundes ist das mit der Verfassungsbeschwerde
angegriffene Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde vom
12. April 2001 (BGBl I S. 530; im Folgenden: BgefHundG) ergangen.
4
a) Es enthält in Art. 1 das Gesetz zur Beschränkung des
Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland
(Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz - HundVerbrEinfG).
Nach § 1 HundVerbrEinfG sind gefährliche Hunde im Sinne
dieses Gesetzes Hunde der Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier,
Staffordshire-Bullterrier, Bullterrier und deren Kreuzungen sowie
nach Landesrecht bestimmte Hunde; unter Verbringen in das Inland ist
jedes Verbringen aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen
Union, unter Einfuhr das Verbringen aus einem Drittland in das Inland
zu verstehen. § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG begründet ein Einfuhr-
und Verbringungsverbot für gefährliche Hunde und hat folgenden
Wortlaut:
5
Hunde der Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier,
Staffordshire-Bullterrier, Bullterrier sowie deren Kreuzungen untereinander
oder mit anderen Hunden dürfen nicht in das Inland eingeführt
oder verbracht werden. Hunde weiterer Rassen sowie deren Kreuzungen
untereinander oder mit anderen Hunden, für die nach den Vorschriften
des Landes, in dem der Hund ständig gehalten werden soll, eine
Gefährlichkeit vermutet wird, dürfen aus dem Ausland nicht
in dieses Land eingeführt oder verbracht werden.
6
§ 2 Abs. 2 Nr. 3 HundVerbrEinfG ermächtigt die Bundesregierung,
durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Ausnahmen von
§ 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG ganz oder teilweise zuzulassen oder
zu gewähren sowie die Voraussetzungen und das Verfahren zu regeln.
Nach § 2 Abs. 4 der auf dieser Grundlage erlassenen Verordnung
über Ausnahmen zum Verbringungs- und Einfuhrverbot von gefährlichen
Hunden in das Inland (Hundeverbringungs- und -einfuhrverordnung -
HundVerbr-EinfVO) vom 3. April 2002 (BGBl I S. 1248) dürfen gefährliche
Hunde im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 HundVerbrEinfG zum Zweck
des ständigen Haltens in das Inland verbracht oder eingeführt
werden, wenn die Begleitperson nachweist, dass die Hunde berechtigt
in einem Land gehalten werden dürfen.
7
§ 3 HundVerbrEinfG begründet in Absatz 1 die Verpflichtung
natürlicher und juristischer Personen sowie nichtrechtsfähiger
Personenvereinigungen, der zuständigen Behörde auf Verlangen
die Auskünfte zu erteilen, die zur Durchführung des Gesetzes
und der auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsvorschriften erforderlich
sind. Absatz 2 regelt Überwachungsbefugnisse der zuständigen
Behörde wie das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen Grundstücke,
Geschäfts- und Wohnräume zu betreten, Unterlagen einzusehen
und Hunde zu untersuchen. Durch § 5 HundVerbrEinfG wird das verbotswidrige
Verbringen und Einführen von Hunden in das Inland unter Strafe
gestellt. § 6 HundVerbrEinfG enthält Bußgeldvorschriften,
§ 7 HundVerbrEinfG regelt die Einziehung von Hunden und sonstigen
Gegenständen für Handlungen, die von § 5 und §
6 Abs. 1 HundVerbrEinfG erfasst werden.
8
b) Art. 2 BgefHundG hat das Tierschutzgesetz (im Folgenden: TierSchG)
geändert. Durch die Nummer 2 sind § 11 b Abs. 2 Buchstabe
a TierSchG und im Zusammenhang damit auch die Rechtsverordnungsermächtigung
in § 11 b Abs. 5 TierSchG neu gefasst worden. Die Regelung über
das Züchtungsverbot in § 11 b Abs. 2 Buchstabe a TierSchG
lautet danach wie folgt:
9
Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten ..., wenn damit gerechnet
werden muß, dass bei den Nachkommen mit Leiden verbundene erblich
bedingte Verhaltensstörungen oder erblich bedingte Aggressionssteigerungen
auftreten.
10
Neu darin ist die Bestimmung zur Verhinderung von Nachkommen mit erblich
bedingten Aggressionssteigerungen, die nicht mehr - wie bis zum In-Kraft-Treten
der Gesetzesänderung - mit Leiden verbunden sein müssen.
Für den Erlass von Rechtsverordnungen nach § 11 b Abs. 5
TierSchG ist auch nicht mehr Voraussetzung, dass die Verordnungsregelungen
zum Schutz der Tiere erforderlich sind. Unter anderem auf der Grundlage
dieser Ermächtigung ist in § 11 der Tierschutz-Hundeverordnung
vom 2. Mai 2001 (BGBl I S. 838; im Folgenden: TierSchHundVO) bestimmt:
11
Aggressionssteigerung nach § 11 b Abs. 2 des Tierschutzgesetzes
12
Eine Aggressionssteigerung im Sinne des § 11 b Abs. 2 des Tierschutzgesetzes
liegt bei Hunden vor, die ein übersteigertes Angriffs- und Kampfverhalten
aufweisen, das durch artgemäße Signale nicht hinreichend
gesteuert wird. Das Verpaaren von Hunden mit anderen Caniden ist verboten.
Bei Pitbull-Terriern, Staffordshire Bullterriern, American Staffordshire
Terriern und Bullterriern sowie Kreuzungen mit diesen Tieren ist vom
Vorliegen einer derartigen Aggressionssteigerung auszugehen.
13
c) Durch Art. 3 Nr. 2 BgefHundG ist schließlich der folgende
§ 143 in das Strafgesetzbuch eingefügt worden:
14
Unerlaubter Umgang mit gefährlichen Hunden
15
(1) Wer einem durch landesrechtliche Vorschriften erlassenen Verbot,
einen gefährlichen Hund zu züchten oder Handel mit ihm zu
treiben, zuwiderhandelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren
oder mit Geldstrafe bestraft.
16
(2) Ebenso wird bestraft, wer ohne die erforderliche Genehmigung oder
entgegen einer vollziehbaren Untersagung einen gefährlichen Hund
hält.
17
(3) Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können
eingezogen werden...
18
II.
Mit der Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer
unmittelbar gegen das Einfuhr- und Verbringungsverbot des § 2
Abs. 1 HundVerbrEinfG sowie darauf bezogene Überwachungs- und
Sanktionsregelungen in den §§ 3, 5 bis 7 HundVerbrEinfG,
gegen das Züchtungsverbot nach § 11 b Abs. 2 Buchstabe a
Alternative 2 TierSchG in Verbindung mit § 11 Satz 3 TierSchHundVO
und gegen die Strafvorschrift des § 143 Abs. 1 StGB.
19
Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig und begründet. Die
angegriffenen Vorschriften verstießen insbesondere gegen Art.
2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 und Art. 14
Abs. 1 GG.
20
1. § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG sei mit dem Grundgesetz in mehrfacher
Hinsicht nicht vereinbar.
21
a) Die Beschwerdeführer, die Hunde der in der Vorschrift genannten
Rassen berufsmäßig züchteten, würden in ihrer
Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Das Einfuhr- und Verbringungsverbot
hindere sie, dieser Tätigkeit weiter nachzugehen. Das sei verfassungsrechtlich
nicht zu rechtfertigen.
22
Die angegriffene Regelung enthalte, soweit sie in Satz 2 auf Landesrecht
verweise, eine unzulässige dynamische Verweisung. Sie genüge
auch nicht rechtsstaatlichen Anforderungen, insbesondere nicht dem
Gebot der Normenbestimmtheit. Darüber hinaus werde mit der Anknüpfung
an bestimmte Hunderassen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot
verletzt. § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG sei zur Erreichung des in
der Gesetzesbegründung angegebenen Regelungszwecks, Menschen
vor gefährlichen Hunden zu schützen, schon nicht geeignet,
weil nahezu alle neueren wissenschaftlichen Untersuchungen einen Zusammenhang
zwischen Rasse und Gefährlichkeit eines Hundes verneinten. Die
Regelung sei aber auch nicht erforderlich. Die Auffassung, es gebe
keine gesicherten Verfahren zur Feststellung der individuellen Gefährlichkeit
von Hunden, treffe, wie die Durchführung von Wesenstests in den
Ländern zeige, nicht zu.
23
§ 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG verletze Art. 12 Abs. 1 GG auch deshalb,
weil er gegen vorrangiges Gemeinschaftsrecht und damit indirekt auch
gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG verstoße. Bei dem angegriffenen
Einfuhr- und Verbringungsverbot handele es sich, weil es nicht gemäß
Art. 30 EGV zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen
oder Tieren gerechtfertigt sei, um eine verbotene Beschränkung
der gemeinschaftsrechtlichen Warenverkehrsfreiheit im Sinne des Art.
28 EGV. Das Bundesverfassungsgericht könne wegen der Verletzung
von Grundrechten durch gemeinschaftswidrige nationale Gesetze angerufen
werden. In Fällen der vorliegenden Art, in denen sich die Verfassungsbeschwerde
unmittelbar gegen ein innerstaatliches Gesetz richte, greife der Gesichtspunkt
der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht durch, weshalb
die Beschwerdeführer nicht auf die Prüfungs- und Verwerfungskompetenz
der Fachgerichte verwiesen werden könnten. Es fehle den Beschwerdeführern
auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis, weil die Möglichkeit,
Rechtsschutz beim Europäischen Gerichtshof zu suchen, nicht bestehe.
Bei Zweifeln über die Gültigkeit oder Auslegung von Normen
des Gemeinschaftsrechts habe das Bundesverfassungsgericht die Sache
dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen.
24
b) Die Beschwerdeführer, welche die Hundezucht nicht berufsmäßig
betrieben, würden aus den gleichen Gründen in ihrem Grundrecht
aus Art. 14 Abs. 1 GG und diejenigen, die einen Hund in das Bundesgebiet
zu anderen als zu Zuchtzwecken einführen oder verbringen wollten,
in ihren Rechten gemäß Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.
25
c) Schließlich verstoße das Einfuhr- und Verbringungsverbot
des § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz
des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Anknüpfung der Vorschrift an bestimmte
Hunderassen führe zu einer Ungleichbehandlung der Halter von
Hunden derartiger Rassen, die sachlich nicht gerechtfertigt sei, weil
das Anknüpfen an die Rasse kein zur Differenzierung nach Gefährlichkeitspotentialen
geeignetes Kriterium sei. Auch Hunde anderer Rassen wie Deutscher
Schäferhund, Boxer oder Doggen wiesen eine deutlich über
dem Durchschnitt der gesamten Hundepopulation liegende Aggressivität
und Gefährlichkeit auf.
26
2. Das behördliche Betretensrecht nach § 3 Abs. 2 Nr. 1
und 2 HundVerbrEinfG sei mit Art. 13 GG unvereinbar. Es gehe dabei
um eine Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG, für die
es an einem Richtervorbehalt fehle.
27
3. Auch die Straf-, Bußgeld- und Einziehungsvorschriften der
§§ 5 bis 7 HundVerbrEinfG seien nicht verfassungskonform.
28
§ 5 HundVerbrEinfG sei schon wegen der Bezugnahme auf den grundgesetzwidrigen
§ 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG nicht verfassungsgemäß.
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 HundVerbrEinfG verstoße gegen die Gebote
der Normenvollständigkeit und Normenbestimmtheit, weil er auf
eine bei seinem In-Kraft-Treten noch nicht erlassene Rechtsverordnung
verweise. Die in § 7 HundVerbrEinfG vorgesehene Möglichkeit
der Einziehung von Hunden und anderen Gegenständen verletze die
Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Die Regelung sei unverhältnismäßig,
weil sie auch bei fahrlässigem Handeln eine Einziehung ohne Rücksicht
darauf erlaube, ob von dem betroffenen Hund eine Gefahr ausgehe.
29
4. Das Züchtungsverbot nach § 11 b Abs. 2 Buchstabe a Alternative
2 TierSchG in Verbindung mit § 11 Satz 3 TierSchHundVO verstoße
gegen Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Dem Bundesgesetzgeber
fehle schon die Kompetenz zum Erlass der Regelung, die nach der Gesetzesbegründung
Gefahrenabwehr bezwecke und nicht dazu diene, im Interesse des Tierschutzes
Störungen bei der Aufzucht des Hundenachwuchses und im Sozialverhalten
von Hunden zu verhindern.
30
5. Schließlich sei die strafrechtliche Sanktionierung landesrechtlicher
Zucht- und Handelsverbote gemäß § 143 Abs. 1 StGB
mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Durch sie werde die Berufsfreiheit
der Beschwerdeführer verletzt, welche die Hundezucht als Beruf
ausübten. Der Bund habe insoweit schon keine Gesetzgebungskompetenz.
Außerdem fehle es an den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2
GG. Gegenüber den Beschwerdeführern, die Hunde nicht berufsmäßig
züchteten, verstoße § 143 Abs. 1 StGB gegen Art. 14
Abs. 1 GG.
31
III.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesministerium des Innern
namens der Bundesregierung und die Bayerische Staatskanzlei für
die Bayerische Staatsregierung Stellung genommen. Beide halten die
angegriffenen Regelungen für verfassungsgemäß.
32
1. Nach dem Vortrag des Bundesministeriums dient das angegriffene
Gesetz im Rahmen der Kompetenzen des Bundes der Ergänzung der
zur Gefahrenabwehr erlassenen landesrechtlichen Vorschriften. Ziel
sei eine praktikable, primär an Rassen und nicht am Einzelfall
orientierte Lösung der Problematik gefährlicher Hunde. Dabei
werde außer von der statistisch höheren Gefährlichkeit
von Hunden der Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier,
Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier davon ausgegangen, dass
diese Hunde ein besonderes Aggressionsverhalten zeigten. Ihnen würden
eine besonders niedrige Reizschwelle, große Kampfkraft und damit
eine besondere Gefährlichkeit zugesprochen. Zwar werde die pauschale
Bezeichnung bestimmter Rassen als gefährlich in Fachkreisen zum
Teil kritisiert, weil das Verhalten eines Hundes nicht allein genetisch
bedingt sei, sondern auch durch Umweltfaktoren beeinflusst werde.
Doch gebe es in dieser Hinsicht keine einheitliche wissenschaftliche
Auffassung. Vor diesem Hintergrund sei die Verfassungsbeschwerde jedenfalls
unbegründet.
33
a) § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG verstoße nicht gegen Art.
12 Abs. 1 GG. Es handele sich um eine Berufsausübungsregelung,
die im Hinblick auf das Ziel, Leben und Gesundheit von Menschen zu
schützen, durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls
gerechtfertigt sei und auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
entspreche. Hunde der in § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG genannten
Rassen seien im Verhältnis zu ihrer relativ geringen Population
überproportional häufig an Angriffen auf Menschen oder Tiere
beteiligt.
34
Die staatliche Schutzpflicht für Leben und Gesundheit von Menschen
könne nicht daran scheitern, dass es bisher an hinreichend aussagekräftigen
wissenschaftlichen Untersuchungen darüber fehle, inwieweit die
Rasseanlagen eines Hundes dessen gesteigerte Aggressivität und
Gefährlichkeit bedingten. Dem Gesetzgeber sei ein Beurteilungsspielraum
zuzubilligen mit der Folge, dass er schon dann zum Erlass einer entsprechenden
Regelung berechtigt sei, wenn er aufgrund fachwissenschaftlicher Veröffentlichungen
sachlich begründete Anhaltspunkte dafür habe, dass eine
gesteigerte Gefährlichkeit auch rassebedingt sein könne.
35
Regelungen mit geringerem Eingriffscharakter, die ebenso geeignet
wären, Leben und Gesundheit von Menschen zu schützen, seien
nicht ersichtlich. Dies gelte insbesondere für eine Wesensprüfung
zum Nachweis der Ungefährlichkeit. Es gebe keine gesicherten
Verfahren zur Feststellung der individuellen Gefährlichkeit eines
Hundes.
36
Auch Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und der allgemeine Gleichheitssatz
des Art. 3 Abs. 1 GG seien nicht verletzt. Die Differenzierung zwischen
den Züchtern und Haltern der von § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG
erfassten sowie den Züchtern und Haltern von nicht erfassten
Hunden habe ihren sachlichen Grund in der unterschiedlichen Gefährlichkeit
der jeweiligen Hunde.
37
b) Die Betretensrechte nach § 3 Abs. 2 HundVerbrEinfG verstießen
nicht gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach
Art. 13 Abs. 1 GG. Es gehe dabei nicht um eine Durchsuchung im Sinne
des Art. 13 Abs. 2 GG. Auch die Einziehungsvorschrift des § 7
HundVerbrEinfG sei verfassungsgemäß. Es handele sich um
eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des
Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.
38
c) Das Zuchtverbot gemäß § 11 b Abs. 2 Buchstabe a
Alternative 2 TierSchG in Verbindung mit § 11 Satz 3 TierSchHundVO
verstoße nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Die Gesetzgebungskompetenz
dafür ergebe sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG. Die Regelung
diene dem Tierschutz, weil sie die betroffenen Hunde vor Maßnahmen
bis hin zur Tötung als Folge von Aggressionszüchtungen bewahre.
Belange der Gefahrenabwehr würden allenfalls reflexartig berührt.
Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG seien ebenfalls nicht verletzt.
39
d) Schließlich stehe auch die strafrechtliche Sanktionierung
landesrechtlicher Zucht- und Handelsverbote in § 143 Abs. 1 StGB
mit Art. 12 Abs. 1 GG in Einklang. Der Bund sei für diese Regelung,
die im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG erforderlich sei, nach Art. 74
Abs. 1 Nr. 1 GG zuständig.
40
2. Die Bayerische Staatskanzlei teilt im Wesentlichen die Beurteilung
der Bundesregierung.
41
IV.
In der mündlichen Verhandlung haben die Beschwerdeführer
und die Bundesregierung ihren Vortrag vertieft. Dabei haben sich für
die Beschwerdeführer auch Frau Dr. Eichelberg vom Zoologischen
Institut der Universität Bonn als Auskunftsperson und für
die Bundesregierung der Vorsitzende der beim Bundesministerium für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft gebildeten Tierschutzkommission,
Herr Professor Dr. Hartung, geäußert. Der Verband für
das Deutsche Hundewesen hat zu dem angegriffenen Gesetz und den damit
verbundenen Fragen ebenfalls Stellung genommen.
42
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht in vollem Umfang zulässig.
43
I.
Unzulässig ist sie, soweit sie gegen § 2 Abs. 1 Satz 2,
§ 3 Abs. 2, § 5 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 2,
§ 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7 in Verbindung mit § 5 und §
2 Abs. 1 Satz 2 sowie in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 2 und
3 HundVerbrEinfG gerichtet ist. Den Beschwerdeführern fehlt insoweit
die Beschwerdebefugnis.
44
1. Diese setzt, wenn Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz
erhoben wird, voraus, dass der Beschwerdeführer durch die angegriffene
Norm bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über
den Rechtsbehelf (vgl. BVerfGE 106, 210 <214>; stRspr) selbst,
gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen
ist. Selbstbetroffenheit ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Beschwerdeführer
Adressat der Regelung ist. Gegenwärtig ist die Betroffenheit,
wenn klar abzusehen ist, dass und wie der Beschwerdeführer von
der angegriffenen Vorschrift betroffen sein wird. Unmittelbare Betroffenheit
liegt schließlich vor, wenn diese Bestimmung, ohne eines weiteren
Vollzugsakts zu bedürfen, die Rechtsstellung des Beschwerdeführers
verändert (vgl. BVerfGE 1, 97 <101 ff.>; 102, 197 <206
f.>).
45
2. Nach diesen Grundsätzen sind die Beschwerdeführer hinsichtlich
der genannten Vorschriften nicht beschwerdebefugt.
46
a) § 2 Abs. 1 Satz 2 HundVerbrEinfG begründet ein Einfuhr-
und Verbringungsverbot auch für Hunde, für die nach den
Vorschriften des Landes, in dem der Hund ständig gehalten werden
soll, eine Gefährlichkeit vermutet wird. Nach § 2 Abs. 4
HundVerbrEinfVO ist es allerdings erlaubt, solche Hunde zum Zweck
des ständigen Haltens in das Inland zu verbringen oder einzuführen,
wenn die Begleitperson nachweist, dass die Hunde berechtigt in einem
Land gehalten werden dürfen. Danach sind die Beschwerdeführer,
die sich gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 HundVerbrEinfG wenden, von dieser
Regelung nicht unmittelbar betroffen.
47
Soweit sie in Bayern, Hamburg und Hessen Hunde der Rassen Kangal,
Dogue de Bordeaux, Mastino Napoletano, English Mastiff, Fila Brasileiro
und Dogo Argentino halten wollen, steht das Halten solcher Hunde nach
dem jeweiligen Landesrecht unter Erlaubnisvorbehalt (vgl. Art. 37
des bayerischen Landesstraf- und Verordnungsgesetzes i.d.F. des Gesetzes
vom 10. Juni 1992, GVBl S. 152, i.V.m. § 1 Abs. 2 der Verordnung
über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit
i.d.F. der Verordnung vom 4. September 2002, GVBl S. 513, § 2
Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 HundeVO Hbg, § 1 Abs. 3 i.V.m.
§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7, 10 und 11 der hessischen Gefahrenabwehrverordnung
über das Halten und Führen von Hunden <HundeVO> vom
22. Januar 2003, GVBl I S. 54). In Berlin, wohin ebenfalls ein Hund
der Rasse Dogo Argentino verbracht werden soll, bedarf es für
das Halten dieses Hundes nicht einmal einer Erlaubnis; nach §
5 Abs. 3 ff. in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 7 HundeVO Bln ist
auf behördliche Aufforderung hin nur die Sachkunde zur Führung
des Hundes nachzuweisen. In allen Fällen ist es den Beschwerdeführern
demnach möglich, im Sinne des § 2 Abs. 4 HundVerbrEinfVO
nachzuweisen, dass die gefährlichen Hunde, die sie erwerben wollen,
in ihrem Bundesland berechtigt gehalten werden dürfen. Erst wenn
ihnen das im Einzelfall verwehrt wird, sind sie durch § 2 Abs.
1 Satz 2 HundVerbrEinfG in ihren Rechten betroffen.
48
Dass in Hessen nach § 4 Abs. 4 Satz 1 HundeVO der Nachweis der
nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HundeVO für die Erlaubniserteilung
geforderten Sachkunde erst erbracht und die gemäß §
3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HundeVO notwendige Wesensprüfung erst vorgenommen
werden muss, wenn der betreffende Hund 15 Monate alt ist, soweit er
nicht schon vorher auffällig wurde oder einer Aggressionszucht
entstammt, führt entgegen dem Beschwerdevortrag zu keiner anderen
Beurteilung. Die Beschwerdeführer haben nicht geltend gemacht,
dass sie Hunde einführen oder in das Inland verbringen wollen,
die 15 Monate alt oder älter sind. Für jüngere Hunde
kann nach § 4 Abs. 4 Satz 2 HundeVO eine vorläufige Erlaubnis
erteilt werden.
49
b) Auch hinsichtlich § 3 Abs. 2 HundVerbrEinfG fehlt es den Beschwerdeführern
an der Beschwerdebefugnis. Die Vorschrift ermächtigt Personen,
die von der zuständigen Behörde beauftragt sind, "im
Rahmen des Absatzes 1", das heißt zur Überprüfung
von Auskünften nach dieser Vorschrift, Grundstücke und Räume
zu betreten, Unterlagen einzusehen und Hunde zu untersuchen. Sie betrifft
die Beschwerdeführer, die sie angreifen, nicht unmittelbar. Denn
Auskünfte sind nach § 3 Abs. 1 HundVerbrEinfG der zuständigen
Behörde ausdrücklich nur auf Verlangen zu erteilen. Erst
durch ein solches Verlangen im Einzelfall wird die Auskunftspflicht
also aktualisiert, deren Entstehen wiederum die Kontrollrechte nach
§ 3 Abs. 2 HundVerbrEinfG auslöst. Gegen diese Rechte können
sich die Beschwerdeführer zur Wehr setzen, wenn sie von der zuständigen
Behörde im Zusammenhang mit einem Auskunftsverlangen in Anspruch
genommen werden.
50
c) Hinsichtlich der übrigen hier in Rede stehenden Regelungen
(vgl. oben B I vor 1) ist eine Betroffenheit der Beschwerdeführer
ebenfalls nicht gegeben. Das folgt, soweit § 5 HundVerbrEinfG
ein Zuwiderhandeln gegen das Einfuhr- und Verbringungsverbot des §
2 Abs. 1 Satz 2 HundVerbrEinfG mit Strafe bedroht, daraus, dass die
Beschwerdeführer schon durch dieses Verbot nicht unmittelbar
betroffen sind. Das Gleiche trifft für die darauf bezogene Strafvorschrift
zu.
51
Nach dem weiter angegriffenen § 6 Abs. 1 Nr. 1 HundVerbr-EinfG
handelt ordnungswidrig, wer einer Rechtsverordnung nach § 2 Abs.
2 Nr. 1 oder § 4 Abs. 2 HundVerbrEinfG zuwiderhandelt, soweit
diese für einen bestimmten Tatbestand auf die Bußgeldvorschrift
verweist. Die Beschwerdeführer heben selbst darauf ab, dass es
zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieser Regelung eine solche Rechtsverordnung
noch nicht gegeben hat. Sie ist auch in der Zwischenzeit nicht erlassen
worden. Daher fehlt es insoweit an einer gegenwärtigen Betroffenheit
der Beschwerdeführer.
52
Die Regelung über die Einziehung von Hunden und Gegenständen
in § 7 HundVerbrEinfG betrifft die Beschwerdeführer, soweit
sie sich über § 5 HundVerbrEinfG auf § 2 Abs. 1 Satz
2 HundVerbrEinfG bezieht, ebenso wie diese Vorschrift nicht unmittelbar.
Soweit sie auf § 6 Abs. 1 HundVerbrEinfG verweist, wenden sich
die Beschwerdeführer nur gegen dessen Nummern 2 und 3 in Verbindung
mit § 3 Abs. 1 und 3 HundVerbrEinfG. Auch dafür mangelt
es ihnen an der Beschwerdebefugnis. Durch § 7 in Verbindung mit
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 und § 3 Abs. 1 HundVerbr-EinfG werden sie
- wie durch § 3 Abs. 2 HundVerbrEinfG - nicht unmittelbar betroffen.
Das Gleiche gilt, soweit die Beschwerdeführer § 7 in Verbindung
mit § 6 Abs. 1 Nr. 3 und § 3 Abs. 3 HundVerbrEinfG angreifen.
Die Duldungs- und Mitwirkungspflichten, die Absatz 3 des § 3
HundVerbrEinfG für die nach Absatz 1 Auskunftspflichtigen begründet,
dienen der Durchsetzung der behördlichen Überwachungsbefugnisse
nach Absatz 2 und betreffen wie diese die Beschwerdeführer erst
im Zusammenhang mit einem Auskunftsverlangen nach Absatz 1.
53
undeHu
54
II.
Unzulässig ist weiter die Rüge, § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG
sei verfassungswidrig, weil er gegen europäisches Gemeinschaftsrecht
verstoße. Gemeinschaftsrechtlich begründete Rechte gehören
nicht zu den Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten, die nach
Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG allein mit der
Verfassungsbeschwerde verteidigt werden können. Entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführer eröffnet weder Art. 2 Abs.
1 GG (vgl. BVerfGE 82, 159 <182>) noch Art. 23 Abs. 1 Satz 2
GG dem Bundesverfassungsgericht insoweit eine Prüfungskompetenz.
Für Entscheidungen der Frage, ob eine innerstaatliche Norm des
einfachen Rechts mit einer Bestimmung des europäischen Gemeinschaftsrechts
unvereinbar ist, ist das Bundesverfassungsgericht nicht zuständig
(vgl. BVerfGE 31, 145 <174 f.>; 82, 159 <191>).
55
III.
Hinsichtlich der weiter angegriffenen Vorschriften ist die Verfassungsbeschwerde
zulässig.
56
1. § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG betrifft die Beschwerdeführer,
die Hunde der in dieser Vorschrift aufgeführten Rassen in das
Inland verbringen oder einführen wollen, gegenwärtig und
unmittelbar, weil nach ihrem Vortrag absehbar ist, dass sie in Zukunft
ohne weiteren Umsetzungsakt unmittelbar von Gesetzes wegen gehindert
sein werden, solche Hunde zu importieren. Auch für die §§
5 und 7 HundVerbrEinfG ist deshalb, soweit sie an § 2 Abs. 1
Satz 1 HundVerbrEinfG anknüpfen, die Beschwerdebefugnis zu bejahen.
Das Züchtungsverbot nach § 11 b Abs. 2 Buchstabe a Alternative
2 TierSchG in Verbindung mit § 11 Satz 3 TierSchHundVO bedarf
ebenfalls keines weiteren Vollzugsakts. Das Gleiche gilt für
die Strafnorm des § 143 Abs. 1 StGB.
57
2. Der geltend gemachte Verstoß gegen das europäische Gemeinschaftsrecht
führt auch nicht dazu, dass den Beschwerdeführern, soweit
sie § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG und die darauf verweisenden
Regelungen in den §§ 5 und 7 HundVerbr-EinfG angreifen,
das Rechtsschutzinteresse fehlt. Zwar gäbe es insoweit für
eine Überprüfung am Maßstab des Grundgesetzes kein
Bedürfnis, wenn schon feststünde, dass die genannten Vorschriften
dem Gemeinschaftsrecht widersprechen und deshalb innerstaatlich nicht
angewendet werden dürfen (vgl. BVerfGE 85, 191 <203 ff.>;
106, 275 <295>). Anderes gilt aber dann, wenn vom Europäischen
Gerichtshof eine Entscheidung zu der mit der Verfassungsbeschwerde
aufgeworfenen gemeinschaftsrechtlichen Frage noch nicht getroffen
worden ist. Das Bundesverfassungsgericht ist in diesem Fall auch nicht
verpflichtet, dem Europäischen Gerichtshof eine Vorabentscheidung
nach Art. 234 EGV zu ermöglichen. Solange nicht geklärt
ist, dass das innerstaatliche Recht mit dem Grundgesetz vereinbar
ist, wäre der Europäische Gerichtshof im Ungewissen darüber,
ob die Vorabentscheidung eine nach innerstaatlichen Maßstäben
gültige und deshalb entscheidungserhebliche Norm betrifft (vgl.
BVerfGE 106, 275 <295 f.>). Diese Ungewissheit kann nur durch
die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerde
ausgeräumt werden, die sich gegen diese Norm richtet.
58
C.
Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit zulässig, teilweise begründet.
Unbegründet ist sie, soweit sie sich gegen das Einfuhr- und Verbringungsverbot
des § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG und die darauf bezogenen
Regelungen in den §§ 5 und 7 HundVerbrEinfG richtet (I,
II). Erfolg hat sie dagegen mit ihren Angriffen gegen § 11 b
Abs. 2 Buchstabe a TierSchG in Verbindung mit § 11 Satz 3 TierSchHundVO,
soweit diese Regelung die Zucht von Hunden verbietet, damit bei den
Nachkommen erblich bedingte Aggressionssteigerungen nicht auftreten
(III). Gleiches gilt, soweit sich die Beschwerdeführer gegen
§ 143 Abs. 1 StGB wenden (IV).
59
I.
Die gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG geltend gemachten
verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht durch.
60
1. Das in dieser Vorschrift niedergelegte Einfuhr- und Verbringungsverbot
ist, soweit es Beschwerdeführer betrifft, die Hunde der Rassen
Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier
und Bullterrier berufsmäßig züchten, vor allem am
Maßstab der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG zu überprüfen.
61
a) Dieses Grundrecht schützt gleichermaßen die Wahl und
die Ausübung von Berufen und versteht unter Beruf jede auf dauerhaften
Erwerb gerichtete Tätigkeit, die der Schaffung und Aufrechterhaltung
einer Lebensgrundlage dient (vgl. BVerfGE 97, 228 <252 f.>;
102, 197 <212>). Auch ein Zweitberuf fällt in den Schutzbereich
des Grundrechts (vgl. BVerfGE 87, 287 <316>). Soweit die Beschwerdeführer
Hunde nur nebenberuflich züchten, schließt dies deswegen
den Grundrechtsschutz aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht aus.
62
b) Das Einfuhr- und Verbringungsverbot des § 2 Abs. 1 Satz 1
HundVerbrEinfG greift in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein.
Es lässt zwar die Freiheit unberührt, den Beruf des Hundezüchters
zu wählen. Wohl aber wird die Ausübung der Hundezucht durch
die betroffenen Beschwerdeführer und damit deren Grundrecht der
Berufsausübung beeinträchtigt. Sie können Hunde der
Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier
und Bullterrier, die sie für ihren jetzigen Zuchtbetrieb benötigen,
nicht mehr im Ausland erwerben. Insoweit kommt dem Einfuhr- und Verbringungsverbot
berufsregelnde Tendenz zu (vgl. dazu BVerfGE 95, 267 <302>;
98, 218 <258>).
63
c) Die Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit durch §
2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG ist aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
64
aa) Regelungen der Berufsausübung sind zulässig, wenn sie
kompetenzgemäß erlassen worden und auch mit sonstigem Verfassungsrecht
vereinbar sind. Sie müssen durch ausreichend gewichtige Gründe
des Gemeinwohls gerechtfertigt sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
entsprechen (vgl. BVerfGE 95, 193 <214>; 102, 197 <213>).
Die gesetzliche Beschränkung muss danach zur Erreichung des vom
Gesetzgeber verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sein und auch
die Grenze der Angemessenheit und Zumutbarkeit wahren (vgl. BVerfGE
103, 1 <10>; 106, 181 <191 f.>).
65
Dabei steht dem Gesetzgeber nicht nur bei der Festlegung der von ihm
ins Auge gefassten Regelungsziele, sondern auch bei der Beurteilung
dessen, was er zur Verwirklichung dieser Ziele für geeignet und
erforderlich halten darf, ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum
zu (vgl. BVerfGE 50, 290 <332 ff.>; 61, 291 <313 f.>;
88, 203 <262>), der vom Bundesverfassungsgericht je nach der
Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten,
sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der auf dem Spiel
stehenden Rechtsgüter nur in begrenztem Umfang überprüft
werden kann (vgl. BVerfGE 77, 170 <214 f.>; 90, 145 <173>).
Bei der Einschätzung von Gefahren, die der Allgemeinheit drohen,
und bei der Beurteilung der Maßnahmen, die der Verhütung
und Bewältigung dieser Gefahren dienen sollen, ist der Beurteilungsspielraum
des Gesetzgebers erst überschritten, wenn die gesetzgeberischen
Erwägungen so fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine
Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben können (vgl.
BVerfGE 30, 292 <317>; 37, 1 <20>; 77, 84 <106>).
66
Allerdings kann es, wenn der Gesetzgeber sich über die tatsächlichen
Voraussetzungen oder die Auswirkungen einer Regelung im Zeitpunkt
ihres Erlasses ein ausreichend zuverlässiges Urteil noch nicht
hat machen können, geboten sein, dass er die weitere Entwicklung
beobachtet und die Norm überprüft und revidiert, falls sich
erweist, dass die ihr zugrunde liegenden Annahmen nicht mehr zutreffen
(vgl. BVerfGE 25, 1 <12 f.>; 49, 89 <130>; 95, 267 <314>).
Das gilt unter anderem dann, wenn komplexe Gefährdungslagen zu
beurteilen sind, über die verlässliche wissenschaftliche
Erkenntnisse noch nicht vorliegen (vgl. BVerfG, 3. Kammer des Ersten
Senats, NJW 2002, S. 1638 <1639>).
67
bb) Nach diesen Maßstäben ist das Einfuhr- und Verbringungsverbot
des § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.
68
(1) Die Vorschrift ist kompetenzgemäß erlassen worden.
Sie regelt das Verbringen und die Einfuhr von Hunden aus anderen Mitgliedstaaten
der Europäischen Union und aus Drittstaaten in das Inland (vgl.
§ 1 HundVerbrEinfG), betrifft damit, wovon auch die Gesetzesbegründung
ausgeht (vgl. BTDrucks 14/ 4451, S. 8 unter A II), im Sinne von Art.
73 Nr. 5 GG den Warenverkehr mit dem Ausland (zur Reichweite dieser
Kompetenznorm vgl. BVerfGE 33, 52 <64>) und ist daher durch
die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes
nach dieser Vorschrift gedeckt.
69
(2) Bedenken im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip sind gegen §
2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG nicht zu erheben. Insbesondere verstößt
die Vorschrift nicht gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot
(vgl. dazu BVerfGE 102, 254 <337> m.w.N.). Sie bezeichnet die
Hunde, deren Einfuhr und Verbringen in das Inland unterbunden werden
soll, hinreichend klar nach der Zugehörigkeit zu den in ihr genannten
Rassen. Ob die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Normenbestimmtheit
auch hinsichtlich der daneben aufgeführten Kreuzungen erfüllt
sind, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Keiner der Beschwerdeführer
hat geltend gemacht, einen Hund einführen oder in das Inland
verbringen zu wollen, bei dem es sich um eine Kreuzung im Sinne des
§ 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbr-EinfG handelt.
70
(3) § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG dient wichtigen Gemeinwohlbelangen.
Ziel der Regelung - wie des Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher
Hunde im Ganzen - ist es, die landesrechtlichen Vorschriften zu ergänzen,
die das Leben und die Gesundheit von Menschen vor den von gefährlichen
Hunden und dem Verhalten ihrer Halter ausgehenden Gefahren schützen
sollen (vgl. BTDrucks 14/4451, S. 1 unter A, S. 8 unter A I). Es soll
sichergestellt werden, dass die Bestimmungen, die von den Ländern
im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenzen für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung erlassen worden sind, nicht durch die Einfuhr
und das Verbringen gefährlicher Hunde aus anderen Staaten in
das Inland unterlaufen werden. Gleichzeitig soll damit die Durchsetzung
des einschlägigen Landesrechts erleichtert werden (vgl. BTDrucks
14/4451, S. 8 unter A II).
71
(4) Für den Gesetzgeber bestand auch ein hinreichender Anlass
zum Tätigwerden.
72
Es ist Sache des Gesetzgebers, im Hinblick auf den jeweiligen Lebensbereich
darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau und auf
welche Weise Situationen entgegengewirkt werden soll, die nach seiner
Einschätzung zu Schäden führen können. Die Anforderungen
an die Gewissheit seiner Annahmen und den Grad der geforderten Wahrscheinlichkeit
richten sich nach der Art der zu ergreifenden Maßnahme.
73
Die der angegriffenen Regelung in abstrakter Betrachtung zugrunde
gelegte Annahme, dass Hunde der Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier,
Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier für Leib und Leben
von Menschen so gefährlich sind, dass ihre Einfuhr und ihr Verbringen
in das Inland unterbunden werden müssen, ist vertretbar und nicht
offensichtlich unrichtig. Zwar bestand auch in der mündlichen
Verhandlung Einigkeit darüber, dass nach dem derzeitigen wissenschaftlichen
Erkenntnisstand allein aus der Zugehörigkeit eines bestimmten
Hundes zu einer bestimmten Rasse nicht auf seine Gefährlichkeit
geschlossen werden kann (ebenso schon BVerwGE 116, 347 <354>).
Ob und in welchem Maße ein Hund für den Menschen zu einer
Gefahr werden kann, hängt vielmehr von einer Vielzahl von Faktoren
- neben bestimmten Zuchtmerkmalen eines Hundes etwa von dessen Erziehung,
Ausbildung und Haltung, von situativen Einflüssen, vor allem
aber von der Zuverlässigkeit und Sachkunde seines Halters - ab.
Ein Anlass zum Handeln des Gesetzgebers kann auch dann gegeben sein,
wenn das schädigende Ereignis das Zusammenwirken unterschiedlicher
Faktoren voraussetzt, soweit diese mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
zusammentreffen können. Der Gesetzgeber darf deshalb zum Schutz
des menschlichen Lebens und der menschlichen Gesundheit gesetzliche
Vorkehrungen treffen, wenn genügend Anhaltspunkte dafür
vorliegen, dass Hunde bestimmter Rassen - und sei es auch erst im
Zusammenwirken mit anderen Faktoren der genannten Art - für diese
Schutzgüter in besonderer Weise gefährlich werden können.
Für Hunde der hier in Rede stehenden Rassen konnte der Gesetzgeber
vom Vorhandensein derartiger Anhaltspunkte ausgehen.
74
Auch wenn die Fachwissenschaft offenbar darin übereinstimmt,
dass das aggressive Verhalten eines Hundes und seine darauf beruhende
Gefährlichkeit nicht allein genetisch bedingt sind, schließt
sie doch auch nicht generell aus, dass die Gefährlichkeit genetische
Ursachen haben kann. Nach den Ausführungen von Frau Dr. Eichelberg
in der mündlichen Verhandlung handelt es sich bei der Gefährlichkeit
eines Hundes zwar nicht um ein Rassemerkmal. Doch ist es andererseits
nach der Einschätzung dieser Wissenschaftlerin (in: Verband für
das Deutsche Hundewesen, "Kampfhunde?" Gefährliche
Hunde? Neue wissenschaftliche Gutachten, 5. Aufl. 2000, S. 4 <7
f.>) unbestritten, dass Hundegruppen wie Pitbull-Terrier, American
Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier im
Hinblick auf angeborene Verhaltensbereitschaften ein Potential zur
Erzeugung gefährlicher Hunde darstellen. Nach dem vom Bundesministerium
für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Auftrag gegebenen
(so genannten Qualzucht-)Gutachten zur Auslegung von § 11 b des
Tierschutzgesetzes von 1999 sind Art und Ausmaß aggressiven
Verhaltens zu einem erheblichen Teil auch genetisch determiniert (vgl.
Gutachten, S. 32). Feddersen-Petersen (in: Verband für das Deutsche
Hundewesen, a.a.O., S. 9 <14>) spricht davon, das Verhalten,
auch das Aggressionsverhalten, eines Hundes sei stets das Ergebnis
einer differenzierten Wechselwirkung zwischen Erbanlagen und Umweltreizen,
und rechnet die so genannten Kampfhunderassen - auch vor dem Hintergrund
der Geschichte ihrer Zucht - zu den Hunderassen, deren Aggressionsverhalten
"nicht ohne Problematik" sei (vgl. Hundepsychologie, 3.
Aufl. 2000, S. 78). Schließlich berichtet Unshelm (in: Verband
für das Deutsche Hundewesen, a.a.O., S. 19 <20 ff.>) davon,
dass insbesondere Hunde der Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier
und Staffordshire-Bullterrier, aber wohl auch der Rasse Bullterrier,
sogar unabhängig vom Verhalten und von der Einstellung ihrer
Halter relativ häufig wegen ihrer gesteigerten Aggressivität
und Gefährlichkeit für Menschen und Tiere aufgefallen seien.
75
Für eine besondere Gefährlichkeit sprechen auch die Zahlen,
die die Bundesregierung im Verfassungsbeschwerdeverfahren vorgelegt
hat. Sie beruhen für die Jahre 1991 bis 1995 auf einer Umfrage
des Deutschen Städtetags, die dieser bei seinen Mitgliedern durchgeführt
hat. 93 der befragten Städte haben konkrete Angaben gemacht.
Danach liegen unter den Hunderassen, die wegen ihrer Gefährlichkeit
Anlass zu ordnungsbehördlichem Einschreiten gegeben haben, zwar
diejenigen des Pitbulls, des Bullterriers und des Staffordshire-Bullterriers
nur an vierter, sechster und siebenter Stelle; andere Hunde wie der
Deutsche Schäferhund sind zum Teil wesentlich öfter negativ
in Erscheinung getreten (vgl. Deutscher Städtetag, Der Stadthund.
Anzahl - Steuern - Gefährlichkeit, 1997, S. 37, 46 ff.). Die
in der Erhebung mitgeteilten absoluten Zahlen sagen aber nichts Verlässliches
darüber aus, welches Gefahrenpotential den einzelnen Rassen tatsächlich
zukommt. Denn eine Aussage dazu setzt einen Vergleich der Zahl an
schadensrelevanten Vorfällen mit dem jeweiligen Bestand der betreffenden
Hunde voraus.
76
Wird für diesen Vergleich hinsichtlich des Hundebestands von
den Zahlen ausgegangen, die in Schleswig-Holstein die Landesregierung
im Jahre 2000 gegenüber dem Landtag auf der Grundlage der Welpenstatistik
des Verbands für das Deutsche Hundewesen für die Zeit von
1992 bis 1997 genannt hat (vgl. LTDrucks 15/247, S. 2 f.), erscheint
es nachvollziehbar und plausibel, wenn der Deutsche Städtetag,
wie die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme weiter mitgeteilt hat,
in einer ersten Auswertung der von ihm ermittelten Fakten zu dem Ergebnis
gekommen ist, dass Hunde der Rasse Pitbull-Terrier im Verhältnis
zu ihrem tatsächlichen Vorkommen am häufigsten an Beißvorfällen
beteiligt sind und auch Hunde der weiteren Bullterriervarianten im
Vergleich zu anderen Hunderassen erheblich mehr beißen, als
ihrer jeweiligen Population entspricht (vgl. dazu auch die Angaben
bei Orlikowski-Wolf, Verwaltungsrundschau 2002, S. 369 <372>).
77
Umfragen, die von der Bundesregierung während der parlamentarischen
Beratungen des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher
Hunde bei den Bundesländern durchgeführt wurden, bestätigen
dieses Ergebnis. Nach den dabei gewonnenen Erkenntnissen, die das
Bundesministerium des Innern in das Verfassungsbeschwerdeverfahren
eingeführt hat, waren in Brandenburg im Jahre 2000 Hunde der
Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier
und Bullterrier im Verhältnis zu ihrer geschätzten Population
achtmal so häufig durch Bisse aufgefallen wie Hunde anderer Rassen.
In Hamburg waren 1998 und 1999 Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier
und Staffordshire-Bullterrier an einem Drittel der Beißvorfälle
beteiligt, bei denen Menschen verletzt wurden. In Rheinland-Pfalz
sind Hunde dieser Rassen im Vergleich zu ihrer Population ebenfalls
häufiger durch ihre Beteiligung an derartigen Vorfällen
in Erscheinung getreten als andere Hunde (vgl. dazu auch RhPfVerfGH,
NVwZ 2001, S. 1273 <1276>). Schließlich wird im Rahmen
der Erhebung, die das Bundesministerium des Innern im Zusammenhang
mit der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht
zu den Erfahrungen mit den landesrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung
gefährlicher Hunde bei den Bundesländern durchgeführt
hat, auch für Mecklenburg-Vor- pommern davon berichtet, dass
vor allem Hunde der in § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG aufgeführten
Art überproportional häufig in Beißzwischenfälle
verwickelt gewesen seien.
78
Auch wenn berücksichtigt wird, dass in Bund und Ländern
für Hunde verlässliche Beißstatistiken offenbar nicht
geführt werden und insbesondere, von den allerdings nur geschätzten
Angaben in der erwähnten Äußerung der schleswigholsteinischen
Landesregierung abgesehen, genaue Zahlen zur Gesamtzahl der Exemplare
einzelner Hunderassen fehlen, sind die Daten, die § 2 Abs. 1
Satz 1 HundVerbrEinfG zugrunde liegen, nicht unergiebig und in der
Folge die darauf gestützten Erwägungen des Gesetzgebers
nicht offensichtlich fehlerhaft. Sie tragen vielmehr das angegriffene
Einfuhr- und Verbringungsverbot. Der für die Gefährlichkeitsannahme
geforderte Grad der Wahrscheinlichkeit hängt von dem gefährdeten
Rechtsgut und der Art der zu befürchtenden Schäden ab. Dabei
ist zu berücksichtigen, dass durch Hunde der betroffenen Rassen
Beißvorfälle mit tödlichem Ausgang und schweren Verletzungen
verursacht worden sind. Es ist nicht vorhersehbar, unter welchen konkreten
Umständen ein Hund dieser Rassen sich dem Einfluss des Halters
entzieht und Menschen angreift. Im Hinblick auf das hohe Gewicht,
das dem Schutz des menschlichen Lebens und der menschlichen Gesundheit
in der Werteordnung des Grundgesetzes zukommt (zum Lebensschutz als
elementarer staatlicher Schutzaufgabe vgl. BVerfGE 88, 203 <257>;
zum Gesundheitsschutz BVerfGE 85, 191 <212 f.>; 87, 363 <386>),
und mit Rücksicht auf die schwerwiegenden Folgen, die Beißvorfälle
unter Beteiligung von Hunden im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbr-EinfG
wegen deren Stärke und Beißkraft für diese Schutzgüter
haben können, bilden die genannten Daten vor diesem Hintergrund
zusammen mit den oben wiedergegebenen Äußerungen des fachwissenschaftlichen
Schrifttums eine ausreichende Grundlage für ein Handeln des Gesetzgebers,
Vorkehrungen gegen den Eintritt von Schädigungen durch Hunde
der erwähnten Rassen zu treffen.
79
(5) Angesichts dieses Befundes entspricht das Einfuhr- und Verbringungsverbot
auch den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
80
(a) Die Regelung ist geeignet, den mit ihr angestrebten Zweck zu erreichen.
Denn mit Hilfe des Einfuhr- und Verbringungsverbots wird ein Beitrag
dazu geleistet, die Zahl der für gefährlich gehaltenen Hunde
im Bundesgebiet zu verringern und damit Beißvorfällen mit
ihnen vorzubeugen. Der vom Bundesgesetzgeber gewünschte Erfolg,
die landesrechtlichen Bestimmungen zum Schutz von Leben und Gesundheit
des Menschen zu ergänzen und die Durchsetzung dieser Bestimmungen
zu sichern, wird also gefördert. Das reicht für die Annahme
der Eignung der Regelung aus (vgl. BVerfGE 30, 292 <316>; 90,
145 <172>; stRspr).
81
Dem steht nicht entgegen, dass in den Berichten über die Erfahrungen
der Länder mit dem Einfuhr- und Verbringungsverbot des §
2 Abs. 1 HundVerbrEinfG unter anderem ausgeführt worden ist,
das Einfuhrverbot werde an den Grenzübergängen zwar theoretisch
überwacht, bei den Zollbehörden fehlten jedoch in der Regel
die Fachkenntnisse, die notwendig seien, um die in den Ländern
aufgelisteten Hunderassen oder gar deren Kreuzungen zu erkennen; das
Verbringungsverbot sei mangels Grenzkontrollen ohnehin nur schwer
zu überwachen. Eine gesetzliche Regelung verliert ihre Eignung
nicht schon deshalb, weil ihre Umsetzung schwierig ist, sofern sie
möglich bleibt. Der Bundesgesetzgeber durfte darauf vertrauen,
dass die Straf- und Einziehungsvorschriften in den §§ 5
und 7 HundVerbrEinfG von den Verbotsadressaten jedenfalls dem Grundsatz
nach beachtet werden und die Behörden geeignete Maßnahmen
ergreifen, um ihre Befolgung erforderlichenfalls mit Sanktionen zu
unterstützen. Im Hinblick darauf bestehen verfassungsrechtliche
Zweifel an der Eignung des Einfuhr- und Verbringungsverbots des §
2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG für den damit verfolgten Zweck
nicht.
82
(b) Dieses Verbot ist zur Zielerreichung auch erforderlich. Ein gleich
wirksames, die Berufsausübungsfreiheit nicht oder weniger stark
einschränkendes Mittel (vgl. BVerfGE 30, 292 <316>; 90,
145 <172>) hat dem Gesetzgeber dafür nicht zur Verfügung
gestanden.
83
Vor allem können die Einfuhr und das Verbringen von Hunden in
das Inland nicht im Einzelfall vom Nachweis der Ungefährlichkeit
des konkret betroffenen einzelnen Hundes abhängig gemacht werden.
Wesenstests, tierärztliche Begutachtungen und ähnliche Maßnahmen,
wie sie das Landesrecht vielfach zur Überprüfung und Feststellung
der Gefährlichkeit von Hunden vorsieht, bieten, selbst wenn sie
von sachkundigen Personen durchgeführt werden, keine vollkommen
verlässliche Grundlage für eine hinreichend sichere Gefährlichkeitsprognose.
Wesensprüfungen sind ein denkbares, von den Ländern auch
eingesetztes Instrument zur Überprüfung der Gefährlichkeit
von Hunden. Sie ermöglichen aber, wie in der mündlichen
Verhandlung auch Frau Dr. Eichelberg bestätigt hat, nur eine
Momentaufnahme vom Verhalten des überprüften Tiers in einer
bestimmten "Krisensituation". Der Vorsitzende der Tierschutzkommission,
Professor Dr. Hartung, hat in der mündlichen Verhandlung ferner
darauf hingewiesen, dass es möglich sei, durch pharmakologische
Behandlung des Hundes seine Gefährlichkeit für den Zeitraum
der Wesensprüfung zu verdecken. Dass ein Hund, dessen Ungefährlichkeit
aufgrund der Wesensprüfung angenommen wurde, unter anderen Umständen
anders reagiert und dabei für den Menschen zur Gefahr wird, lässt
sich, zumal wenn die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens (zu ihr
vgl. BGHZ 67, 129 <132 f.>) in Rechnung gestellt wird, nicht
ausschließen. Der Gesetzgeber musste daher Wesensprüfungen
nicht als gleich geeignetes Mittel ansehen.
84
(c) Das Einfuhr- und Verbringungsverbot des § 2 Abs. 1 Satz 1
HundVerbrEinfG ist schließlich verhältnismäßig
im engeren Sinne. Eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des
damit verbundenen Grundrechtseingriffs und dem Gewicht des zu schützenden
Rechtsguts ergibt auch angesichts der Unsicherheiten über die
Wahrscheinlichkeit einer Schadensverwirklichung durch die betroffenen
Hunde, dass das Verbot eine angemessene, den Betroffenen auch zumutbare
Belastung darstellt (vgl. BVerfGE 90, 145 <173>; 104, 337 <349>).
85
Die Wirkungen des Eingriffs in das Grundrecht der Berufsausübung
sind begrenzt. Wer zu Zuchtzwecken Hunde erwerben will, die unter
das Verbot des § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG fallen, wird
zwar daran gehindert, sie aus dem Ausland zu importieren und zur Zucht
von Nachkommen zu verwenden. Die Zucht von Hunden anderer Rassen wird
durch das Einfuhr- und Verbringungsverbot jedoch nicht berührt.
Den Beschwerdeführern ist es weiterhin möglich, den Beruf
des Hundezüchters auszuüben.
86
Bei der Gesamtabwägung wird maßgebend, dass das Leben und
die Gesundheit von Menschen, deren Schutz durch § 2 Abs. 1 Satz
1 HundVerbrEinfG verbessert werden soll, einen besonders hohen Rang
haben (vgl. oben unter C I 1 c bb <4>). Der Gemeinwohlbelang,
dem die Regelung dient, wiegt erheblich schwerer als die wirtschaftlichen
und auch erheblich schwerer als ideelle Interessen der von der Vorschrift
betroffenen Züchter, Hunde der von ihnen bevorzugten Rassen weiter
aus dem Ausland beziehen zu können. Dass Art. 20 a GG den Staat
und seine Organe seit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes vom 26. Juli
2002 (BGBl I S. 2862) auch zum Schutz der Tiere verpflichtet, ändert
an dieser Einschätzung nichts. Unabhängig davon, ob ein
Einfuhr- und Verbringungsverbot den Schutz der Tiere überhaupt
beeinträchtigt, stellt die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz
1 HundVerbrEinfG auch im Lichte dieser Staatszielbestimmung eine angemessene,
für die Betroffenen zumutbare Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit
dar.
87
(d) Allerdings muss der Bundesgesetzgeber die weitere Entwicklung
beobachten. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Ursachen
aggressiven Verhaltens von Hunden der verschiedenen Rassen und über
das Zusammenwirken unterschiedlicher Ursachen sowie die tatsächlichen
Annahmen des Gesetzgebers belassen noch erhebliche Unsicherheit. Es
ist deshalb notwendig, die Gefährdungslage, die durch das Halten
von Hunden entstehen kann, und die Ursachen dafür weiter im Blick
zu behalten und insbesondere das Beißverhalten der von §
2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG erfassten Hunde künftig mehr noch
als bisher zu überprüfen und zu bewerten. Wird dabei die
prognostische Einschätzung der Gefährlichkeit dieser Hunde
durch den Gesetzgeber nicht oder nicht in vollem Umfang bestätigt,
wird er seine Regelung den neuen Erkenntnissen anpassen müssen.
88
2. § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG steht auch mit Art. 14 Abs.
1 und Art. 2 Abs. 1 GG in Einklang.
89
Dabei kann offen bleiben, ob bei den Beschwerdeführern, die Hunde
der von § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG erfassten Rassen in
das Inland einführen oder verbringen wollen, durch das Einfuhr-
und Verbringungsverbot der Schutzbereich der Eigentumsgarantie überhaupt
berührt wird. Auch wenn das bejaht wird, ist ein Verstoß
gegen Art. 14 Abs. 1 GG nicht gegeben. § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG
ist jedenfalls im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG als eine Bestimmung
von Inhalt und Schranken des Eigentums an den im Ausland erworbenen
Hunden anzusehen, die aus den gleichen Gründen, die den Eingriff
in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen (vgl. oben C
I 1 c bb), zulässig ist. Nichts anderes gilt, soweit ein Eingriff
in die durch Art. 2 Abs. 1 GG garantierte allgemeine Handlungsfreiheit
vorliegen sollte.
90
3. Das Einfuhr- und Verbringungsverbot des § 2 Abs. 1 Satz 1
HundVerbrEinfG ist schließlich auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz
des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
91
a) Dieser gebietet, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend
verschieden zu behandeln (vgl. BVerfGE 103, 242 <258>; stRspr).
Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung untersagt
(vgl. BVerfGE 100, 59 <90>; 102, 41 <54>). Ebenso wenig
ist er gehalten, Ungleiches unter allen Umständen ungleich zu
behandeln (vgl. BVerfGE 86, 81 <87>). Der Gesetzgeber verletzt
aber das Gleichheitsgrundrecht, wenn er bei Regelungen, die unmittelbar
oder mittelbar Personengruppen betreffen, eine Gruppe von Normadressaten
im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt, obwohl zwischen
beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht
bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können
(vgl. BVerfGE 102, 41 <54>; 104, 126 <144 f.>). Das Gleiche
gilt, wenn der Gesetzgeber es unterlässt, tatsächliche Ungleichheiten
des zu ordnenden Lebenssachverhalts zu berücksichtigen, die so
bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten
Betrachtungsweise beachtet werden müssen (vgl. BVerfGE 71, 255
<271>; 98, 365 <385>; 103, 242 <258>).
92
Dabei kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maße sich die
Ungleich- oder Gleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich
geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. BVerfGE
95, 267 <316 f.>; 105, 73 <110 f.>). Auch ist zu berücksichtigen,
inwieweit dem Gesetzgeber bei der Beurteilung der Ausgangslage und
der möglichen Auswirkungen der von ihm getroffenen Regelung eine
Einschätzungsprärogative zukommt. Dafür ist maßgeblich
insbesondere auf die Eigenart des jeweiligen Sachbereichs und auf
die Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter abzustellen;
außerdem hängt der Prognosespielraum auch von der Möglichkeit
ab, sich im Zeitpunkt der Entscheidung ein hinreichend sicheres Urteil
zu bilden (vgl. BVerfGE 88, 87 <97>; 99, 367 <389 f.>).
93
b) Nach diesen Grundsätzen kann ein Verstoß gegen den allgemeinen
Gleichheitssatz nicht festgestellt werden.
94
aa) Der Gesetzgeber ist im Rahmen seines Einschätzungs- und Prognosespielraums
verfassungsrechtlich unbedenklich davon ausgegangen, hinreichend sichere
Anhaltspunkte dafür zu haben, dass Hunde der in § 2 Abs.
1 Satz 1 HundVerbrEinfG genannten Rassen für Leib und Leben von
Menschen in besonderer Weise gefährlich sind, und zwar insbesondere
deshalb, weil sie in den Jahren vor Erlass des angegriffenen Gesetzes
im Verhältnis zu ihrem Bestand überproportional häufig
an Beißvorfällen beteiligt waren (unter C I 1 c bb <4>).
Er hat außerdem angenommen, dass bei Hunden anderer Rassen,
die wie Deutscher Schäferhund, Deutsche Dogge, Dobermann, Rottweiler
oder Boxer nicht in gleicher Weise auffällig geworden sind, eine
geringere Gefährlichkeit gegeben ist. Diese Annahme ist in der
mündlichen Verhandlung nicht widerlegt worden, und es gibt auch
im Schrifttum keine ausreichenden Anhaltspunkte für ihre Unrichtigkeit.
95
bb) Auch die Gleichbehandlung derer, die einen im Einzelfall gefährlichen
Hund im Sinne dieser Vorschrift aus dem Ausland einführen oder
in das Inland verbringen wollen, und derjenigen, bei denen die Gefährlichkeit
des Hundes durch eine Einzelfallprüfung ausgeschlossen werden
könnte, ist im Blick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs.
1 GG nicht zu beanstanden. Nach der Einschätzung des Gesetzgebers
wäre es in der Praxis nicht zu gewährleisten, die Einordnung
eines Hundes als gefährlich oder nichtgefährlich aufgrund
einer Einzelfallüberprüfung an den Grenzkontrollstellen
vorzunehmen (vgl. BTDrucks 14/4451, S. 12 f.). Diese Einschätzung
ist nachvollziehbar (vgl. oben C I 1 c bb <5> <b>) und
begegnet von Verfassungs wegen keinen Bedenken. Die in Rede stehende
Gleichbehandlung ist deshalb durch den Gesichtspunkt eines effektiven
Gesetzesvollzugs verfassungsrechtlich hinreichend gerechtfertigt.
96
c) Der Gesetzgeber ist allerdings auch im Hinblick auf den allgemeinen
Gleichheitssatz gehalten, die weitere Entwicklung zu beobachten. Dabei
geht es hier in erster Linie darum, ob die unterschiedliche Behandlung
derer, deren Hunde unter § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG fallen,
und derjenigen, bei denen dies nicht der Fall ist, auch in der Zukunft
gerechtfertigt ist. Sollte sich bei der Beobachtung und Überprüfung
des Beißverhaltens von Hunden ergeben, dass Hunde anderer als
der in dieser Vorschrift genannten Rassen im Verhältnis zu ihrer
Population bei Beißvorfällen vergleichbar häufig auffällig
sind wie Hunde, auf die § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG bisher
beschränkt ist, könnte die angegriffene Regelung in ihrer
gegenwärtigen Fassung nicht länger aufrechterhalten werden.
Sie wäre vielmehr aufzuheben oder auf bisher nicht erfasste Rassen
zu erstrecken.
97
II.
Keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen vor diesem Hintergrund
auch die Regelungen in § 5 in Verbindung mit § 2 Abs. 1
Satz 1 und in § 7 in Verbindung mit § 5 und § 2 Abs.
1 Satz 1 HundVerbrEinfG.
98
§ 5 HundVerbrEinfG will das Einfuhr- und Verbringungsverbot des
§ 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG strafrechtlich absichern. Soweit die
Strafvorschrift zu diesem Zweck auf § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG
Bezug nimmt, halten die Beschwerdeführer die Strafbewehrung nur
deshalb für nicht verfassungsgemäß, weil nach ihrer
Ansicht schon § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG nicht der Verfassung
entspricht. Das trifft in-dessen, wie ausgeführt, nicht zu. Auch
die Strafrechtsnorm des § 5 HundVerbrEinfG selbst gibt zu verfassungsrechtlichen
Zweifeln keinen Anlass.
99
Entsprechendes gilt für § 7 HundVerbrEinfG, soweit er für
die Einziehung von Hunden und sonstigen Gegenständen auf §
5 HundVerbrEinfG und über diesen auf § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG
verweist. Der Einwand der Beschwerdeführer, nach § 7 HundVerbrEinfG
könnten auch im Einzelfall ungefährliche Hunde im Sinne
des § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG eingezogen werden, ist rechtlich
unerheblich. Im übrigen kann der Strafrichter von dem Ermessen,
das ihm § 7 HundVerbrEinfG einräumt, dahin Gebrauch machen,
dass er von einer Einziehung absieht.
100
III.
Nicht dem Grundgesetz entspricht dagegen das auf Art. 2 Nr. 2 BgefHundG
beruhende Verbot, Hunde zu züchten, damit bei den Nachkommen
erblich bedingte Aggressionssteigerungen nicht auftreten. Dem Bund
fehlt dafür die Gesetzgebungskompetenz.
101
1. § 11 b Abs. 2 Buchstabe a Alternative 2 TierSchG in Verbindung
mit § 11 Satz 3 TierSchHundVO, der dieses Verbot für Hunde
der Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier,
Bullterrier sowie Kreuzungen mit solchen Tieren festlegt, ist nicht
verfassungsgemäß.
102
a) Die Regelung verstößt gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Sie greift
wie das Einfuhr- und Verbringungsverbot des § 2 Abs. 1 Satz 1
HundVerbrEinfG (vgl. dazu oben unter C I 1 b) in das Grundrecht der
Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführer ein, welche
die Zucht von Hunden der genannten Art berufsmäßig ausüben.
Dieser Eingriff genügt den an eine Berufsausübungsregelung
zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil dem
Bundesgesetzgeber hierfür die Gesetzgebungskompetenz fehlt.
103
Die Bundesregierung hat die Regelung in § 11 b Abs. 2 Buchstabe
a Alternative 2 TierSchG ausweislich der Begründung des von ihr
vorgelegten Gesetzentwurfs auf den Kompetenztitel des Art. 74 Abs.
1 Nr. 20 GG gestützt (vgl. BTDrucks 14/4451, S. 8 unter A III).
Danach hat der Bund unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG
das Recht der Gesetzgebung unter anderem für den Tierschutz.
Diese - als Kompetenzgrundlage allein in Betracht kommende - Zuständigkeitsregelung
trägt das angegriffene Züchtungsverbot nicht.
104
aa) Was unter Tierschutz im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG zu
verstehen ist, hat das Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden.
Nach den Vorstellungen des verfassungsändernden Gesetzgebers,
der die Nummer 20 des damaligen Art. 74 GG durch das Änderungsgesetz
vom 18. März 1971 (BGBl I S. 207) um das Sachgebiet "Tierschutz"
erweitert hat, sollte dadurch die Grundlage für ein umfassendes
Tierschutzgesetz des Bundes geschaffen werden. Der Begriff des Tierschutzes
ist dem entsprechend weit auszulegen. Er bezieht sich insbesondere
auf die Haltung, Pflege, Unterbringung und Beförderung von Tieren,
auf Versuche an lebenden Tieren und auf das Schlachten von Tieren
(vgl. BTDrucks VI/1010, S. 3 unter B). Dabei geht es der Kompetenznorm,
wie der Ausrichtung der Verfassungsänderung auf ein umfassend
zu ordnendes Tierschutzrecht des Bundes entnommen werden kann, in
erster Linie darum, Regelungen zu ermöglichen, deren Zweck es
ist, Tieren bei Vorgängen der genannten Art Schmerzen, Leiden
oder Schäden so weit wie möglich zu ersparen (vgl. §
1 Satz 2 TierSchG). Im Interesse der wirksamen Sicherung dieses Zwecks
gestattet Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG dem Bund auch Regelungen zur Überwachung
und zur Förderung des Tierschutzes.
105
bb) § 11 b Abs. 2 Buchstabe a Alternative 2 TierSchG in Verbindung
mit § 11 Satz 3 TierSchHundVO dient nicht dem Tierschutz in diesem
Sinne. Auch das in der Regelung enthaltene Verbot der Züchtung
aggressiver Hunde gehört nach der Zielsetzung des Gesetzgebers
zu den Maßnahmen, mit denen erreicht werden soll, dass das Leben
und die Gesundheit von Menschen vor gefährlichen Hunden künftig
wirksamer geschützt werden können als bisher. Im Allgemeinen
Teil der Gesetzesbegründung ist dazu ausgeführt worden,
der Bund könne die länderrechtlichen Regelungen zur Abwehr
von Gefahren, die von gefährlichen Hunden verursacht werden,
durch die Inanspruchnahme seiner Kompetenzen sinnvoll ergänzen,
weshalb die Möglichkeiten zum Erlass eines Zuchtverbots für
solche Hunde erweitert werden sollten (vgl. BTDrucks 14/4451, S. 8
unter A I). Ziel dieser Regelung ist danach nicht in erster Linie
die Vermeidung von Schmerzen, Leiden oder Schäden bei Tieren,
sondern der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen.
106
Das findet auch im Wortlaut der gesetzlichen Regelung seinen Niederschlag.
Während es nach der zweiten Alternative des § 11 b Abs.
2 Buchstabe a TierSchG vor der Änderung dieser Vorschrift durch
das angegriffene Gesetz verboten war, Wirbeltiere zu züchten,
wenn damit gerechnet werden musste, dass bei den Nachkommen "mit
Leiden verbundene" erblich bedingte Aggressionssteigerungen auftreten,
kommt es seit der Gesetzesänderung nicht mehr darauf an, ob die
Aggressionssteigerungen, die verhindert werden sollen, mit Leiden
verbunden sind; der Gesetzgeber hat dieses Tatbestandsmerkmal ersatzlos
gestrichen. Noch deutlicher kommt das Abrücken von den Zielen
des Tierschutzes in der Änderung der Rechtsverordnungsermächtigung
des § 11 b Abs. 5 TierSchG durch Art. 2 Nr. 2 Buchstabe b BgefHundG
zum Ausdruck. War das zuständige Bundesministerium bisher zum
Erlass der Rechtsverordnung unter den in der Ermächtigungsnorm
weiter genannten Voraussetzungen nur ermächtigt, "soweit
es zum Schutz der Tiere erforderlich ist" (so oder ähnlich
auch weiterhin die Rechtsverordnungsermächtigungen in §
2 a Abs. 1 ff., § 5 Abs. 4 Nr. 2, § 6 Abs. 4, § 8 a
Abs. 6, § 12 Abs. 2 Satz 1, § 13 Abs. 3 Satz 1, § 13
a Abs. 2 Satz 1 und § 16 Abs. 5 Satz 1 TierSchG), fehlt in der
nunmehr geltenden Ermächtigung des § 11 b Abs. 5 TierSchG
diese Beschränkung.
107
In der Einzelbegründung des Entwurfs des angegriffenen Gesetzes
wird für diese Änderungen eine plausible Erklärung
nicht gegeben. Zur Neufassung des § 11 b Abs. 2 Buchstabe a TierSchG
wird nur ausgeführt, sie trage dem Umstand Rechnung, dass erblich
bedingte Aggressionssteigerungen auch dann tierschutzrelevant sein
könnten, wenn sie nicht unmittelbar zu Leiden des betreffenden
Tieres führten; dies sei insbesondere der Fall, wenn von diesem
Tier Gefahren für andere Tiere ausgingen oder tierschutzrelevante
Maßnahmen gegen das Tier selbst erforderlich würden (vgl.
BTDrucks 14/4451, S. 10 zu Art. 2 Nr. 1 Buchstabe a). An welche Gefahren
dabei gedacht worden ist, unter welchen Voraussetzungen und in welchem
Umfang sie auftreten können, wird ebenso wenig erläutert
wie die tierschutzrelevanten Maßnahmen, die gegenüber dem
erblich bedingt aggressiven Tier notwendig werden könnten. Gänzlich
unergiebig ist schließlich die Begründung zur Änderung
des § 11 b Abs. 5 TierSchG, diese solle die gesetzlichen Verbote
in § 11 b Abs. 1 und 2 TierSchG konkretisieren (vgl. BTDrucks
14/4451, S. 10 zu Art. 2 Nr. 1 Buchstabe b).
108
Unter diesen Umständen kann auch nicht angenommen werden, zumindest
das Schwergewicht der gesetzlichen Neuregelung liege auf dem Gebiete
des Tierschutzes. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Die angegriffene
Regelung dient in erster Linie dem Schutz des Menschen vor besonders
aggressiven Hunden und fällt deshalb, worauf die Bundesregierung
noch im Jahre 1991 zu einem ähnlichen Regelungsvorschlag des
Bundesrates hingewiesen hatte (vgl. BTDrucks 12/977, S. 10 zu Art.
1 und S. 12 unter III), in die Gesetzgebungszuständigkeit der
Länder für das Recht der öffentlichen Sicherheit und
Ordnung. Für die Annahme, bei § 11 b Abs. 2 Buchstabe a
Alternative 2 TierSchG in Verbindung mit § 11 Satz 3 TierSchHundVO
handele es sich nur um einen sicherheitsrechtlichen Annex zur Sachmaterie
"Tierschutz" (vgl. BVerfGE 8, 143 <149 f.>), ist deshalb
ebenfalls kein Raum.
109
b) § 11 b Abs. 2 Buchstabe a Alternative 2 TierSchG in Verbindung
mit § 11 Satz 3 TierSchHundVO verletzt darüber hinaus das
durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Eigentumsgrundrecht der
Beschwerdeführer, welche Hunde der in § 11 Satz 3 TierSchHundVO
genannten Art züchten.
110
Die Eigentumsgarantie schützt das Recht, Sacheigentum zu besitzen
und zu nutzen (vgl. BVerfGE 97, 350 <370>; 101, 54 <75>;
105, 17 <30>). Dieses Recht wird durch das angegriffene Zuchtverbot
insofern berührt, als den Eigentümern der betroffenen Hunde
deren Nutzung zu Zuchtzwecken untersagt wird. Dabei handelt es sich,
weil Eigentum nicht entzogen wird, nicht um eine Enteignung, sondern
um eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne
des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 101, 239 <259>; 102,
1 <15 f.>). Als solche wäre die Regelung nur zulässig,
wenn das den Eigentumsinhalt bestimmende Gesetz kompetenzgemäß
erlassen worden wäre (vgl. BVerfGE 34, 139 <146>; 58, 137
<145>). Das aber ist, wie ausgeführt, nicht der Fall.
111
2. Entsprechendes gilt auch insoweit, als § 11 b Abs. 2 Buchstabe
a Alternative 2 TierSchG in Verbindung mit § 11 Satz 1 und 2
TierSchHundVO das Züchten anderer als der in Satz 3 genannten
Hunde verbietet. Auch dafür fehlt dem Bundesgesetzgeber aus den
angeführten Gründen die Regelungskompetenz. Der Senat erstreckt
deshalb die Feststellung der Verfassungswidrigkeit nach § 78
Satz 2 und § 82 Abs. 1 BVerfGG, die im Verfassungsbeschwerdeverfahren
entsprechend anzuwenden sind (vgl. BVerfGE 18, 288 <300>; stRspr),
auf § 11 Tier-SchHundVO im Ganzen.
112
IV.
Mit dem Grundgesetz unvereinbar ist schließlich die Strafnorm
des § 143 Abs. 1 StGB, weil die Voraussetzungen des Art. 72 Abs.
2 GG nicht vorliegen.
113
1. Nach § 143 Abs. 1 StGB wird mit Freiheits- oder Geldstrafe
bestraft, wer entgegen einem durch landesrechtliche Vorschriften erlassenen
Verbot einen gefährlichen Hund züchtet oder mit ihm Handel
treibt. Auch diese Regelung ist mit der Berufsausübungsfreiheit
der Beschwerdeführer, die Tätigkeiten der genannten Art
berufsmäßig ausüben, nicht vereinbar. Sie greift in
den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein, indem sie den Eingriff,
den schon das Zucht- und das Handelsverbot darstellen, noch verstärkt.
Verfassungsrechtlich ist dies nicht gerechtfertigt, weil auch §
143 Abs. 1 StGB nicht durch ein Gesetzgebungsrecht des Bundes gedeckt
ist.
114
a) Der Bundesgesetzgeber kann sich für diese Regelung zwar auf
die Regelungszuständigkeit für das Strafrecht nach Art.
74 Abs. 1 Nr. 1 GG berufen. Sie schließt grundsätzlich
auch die Befugnis ein, Vorschriften des Landesrechts mit strafrechtlichen
Sanktionen des Bundesrechts zu versehen, sofern nicht der Bundesgesetzgeber
in Wirklichkeit die der Länderkompetenz unterliegende Materie
selbst sachlich regelt (vgl. BVerfGE 13, 367 <373>; 23, 113
<125>; 26, 246 <258>). Die Inanspruchnahme dieser Befugnis
hängt aber davon ab, dass die Voraussetzungen des Art. 72 Abs.
2 GG in der Fassung vorliegen, welche die Vorschrift durch das Änderungsgesetz
vom 27. Oktober 1994 (BGBl I S. 3146) erhalten hat. Der Bund hätte
für § 143 Abs. 1 StGB das Gesetzgebungsrecht also nur, wenn
und gegebenenfalls soweit diese Regelung als für die Herstellung
gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder zur Wahrung
der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse
erforderlich angesehen werden könnte.
115
b) Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hat das Bundesverfassungsgericht
zu überprüfen; es besteht insoweit kein von verfassungsgerichtlicher
Kontrolle freier gesetzgeberischer Beurteilungsspielraum (im Anschluss
an BVerfGE 106, 62 <135 ff.>). Die Prüfung an den Maßstäben
des Art. 72 Abs. 2 GG entfällt auch nicht deshalb, weil das Strafgesetzbuch
gemäß Art. 125 a Abs. 2 Satz 1 GG als Bundesrecht fortgilt
und ein die Zuständigkeit der Länder eröffnendes Bundesgesetz
im Sinne des Art. 125 a Abs. 2 Satz 2 GG dazu nicht ergangen ist.
Bei § 143 Abs. 1 StGB handelt es sich inhaltlich um eine erstmals
geschaffene bundesgesetzliche Neuregelung. Jedenfalls bei derartigen
Vorschriften ist Art. 72 Abs. 2 GG als Schranke für die Ausübung
der Bundeskompetenz zu beachten (vgl. Bothe, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein,
Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland,
3. Aufl., Art. 125 a Rn. 4 <Stand: August 2002>).
116
c) Für § 143 Abs. 1 StGB sind die Voraussetzungen des Art.
72 Abs. 2 GG (vgl. zu ihnen BVerfGE 106, 62 <143 ff.>) nicht
erfüllt.
117
Fraglich ist schon, welche der in Art. 72 Abs. 2 GG genannten Zielvorgaben
der Gesetzgeber mit § 143 Abs. 1 StGB verfolgt (vgl. auch Fischer,
in: Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, 51. Aufl. 2003, §
143 Rn. 9). Die Begründung zum Entwurf des angegriffenen Gesetzes
führt dazu nichts aus; sie beschränkt sich auf die Feststellung,
da die Länder von ihrer Kompetenz zur strafrechtlichen Bewehrung
von Ge- und Verboten zur Abwehr der von gefährlichen Hunden ausgehenden
Gefahren bisher keinen Gebrauch gemacht hätten, könne die
Erforderlichkeit einer bundesrechtlichen Regelung bejaht werden (vgl.
BTDrucks 14/4451, S. 8 unter A IV). Im Verfassungsbeschwerdeverfahren
hat sich ebenfalls nicht eindeutig klären lassen, welchen Zwecken
§ 143 Abs. 1 StGB dienen soll. Die Aufklärung der konkreten
Zielsetzung kann auch dahinstehen, weil die bundesgesetzliche Regelung
des § 143 Abs. 1 StGB für die Erreichung keines der in Art.
72 Abs. 2 GG erwähnten Ziele erforderlich ist.
118
§ 143 Abs. 1 StGB sanktioniert Verstöße gegen landesrechtliche
Vorschriften, welche die Zucht von gefährlichen Hunden oder den
Handel mit ihnen verbieten. Der Bundesgesetzgeber hat auf diese Weise
einen bundeseinheitlichen Rahmen nur für die strafrechtlichen
Rechtsfolgen solcher Verstöße geschaffen. Die tatbestandlichen
Voraussetzungen dafür bestimmen sich nach Landesrecht und sind
dort sehr unterschiedlich geregelt, so dass Bundeseinheitlichkeit
auf der Ebene der strafrechtlichen Sanktion nicht erreichbar ist.
Grundsätzlich ist der Verweis des bundesrechtlichen Strafrechts
auf landesrechtliche Verbote zwar denkbar. Art. 72 Abs. 2 GG setzt
jedoch voraus, dass diese Verbote im Wesentlichen übereinstimmen.
Das ist hier nicht der Fall.
119
Schon der Begriff des gefährlichen Hundes ist nicht einheitlich
definiert. Neben Regelungen, die für die Gefährlichkeit
an die Zugehörigkeit zu bestimmten Hunderassen anknüpfen
(vgl. dazu oben unter A I 1) und dafür auch unterschiedlich umfangreiche
Rasselisten vorsehen, gibt es Vorschriften, nach denen es für
die Einstufung als gefährlicher Hund auf die Feststellung der
Gefährlichkeit im Einzelfall ankommt (vgl. etwa § 1 Abs.
3 HundeVO Hbg, § 3 Abs. 3 des Hundegesetzes für das Land
Nordrhein-Westfalen <LHundG NRW> vom 18. Dezember 2002, GVBl
S. 656, sowie § 1 Abs. 1, 3 und 4 des sächsischen Gesetzes
zum Schutze der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden <GefHundG>
vom 24. August 2000, GVBl S. 358). Auch die Zucht gefährlicher
Hunde und das Handeltreiben mit ihnen sind nicht in allen Bundesländern
verboten. Anders als etwa die Regelungen in Berlin, Bremen und Hessen
(vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 HundeVO Bln, § 1 Abs. 4 i.V.m.
Abs. 3 des bremischen Gesetzes über das Halten von Hunden vom
2. Oktober 2001, GBl S. 331, und § 13 HundeVO) sehen beispielsweise
diejenigen in Nordrhein-Westfalen (vgl. § 9 Satz 1 i.V.m. §
3 Abs. 3 LHundG NRW) und Sachsen (vgl. § 2 Abs. 1 und §
3 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 GefHundG) solche Verbote nicht oder
nur für bestimmte Gruppen von gefährlichen Hunden vor.
120
Folge dieser tatbestandlichen Differenzierungen ist es, dass sich
auch § 143 Abs. 1 StGB bundesweit unterschiedlich auswirkt. Die
Divergenzen des Landesrechts werden auf die bundesrechtliche Ebene
des Strafrechts erstreckt. Es wird demzufolge durch § 143 Abs.
1 StGB nicht nur keine Bundeseinheitlichkeit erreicht, sondern die
bestehende Uneinheitlichkeit über die strafrechtliche Sanktionierung
noch verstärkt (ebenso v. Coelln, NJW 2001, S. 2834 <2836>;
Fischer, a.a.O.). § 143 Abs. 1 StGB kann deshalb weder für
die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet
noch zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen
Interesse erforderlich sein.
121
2. Die Regelung verstößt damit mangels einer sie stützenden
kompetentiellen Grundlage (vgl. oben unter C III 1 b) auch gegen das
Eigentumsgrundrecht der Beschwerdeführer.
122
D.
Die Verfassungswidrigkeit des § 11 b Abs. 2 Buchstabe a TierSchG,
soweit er die Zucht von Hunden verbietet, damit bei den Nachkommen
erblich bedingte Aggressionssteigerungen nicht auftreten, in Verbindung
mit § 11 TierSchHundVO und des § 143 Abs. 1 StGB führt
gemäß § 95 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG zur Nichtigkeit der
angegriffenen Vorschriften. Mangels Gesetzgebungszuständigkeit
kann der Bundesgesetzgeber diese Vorschriften nicht durch eine verfassungsgemäße
andere Regelung mit gleicher Zielsetzung ersetzen.
123
Papier Jaeger Haas
Hömig Steiner Hohmann-Dennhardt
Hoffmann-Riem Bryde